Insektensterben im Nationalpark
Die von Menschen gesteuerte Verlandung vom Nationalpark seit der Donauregulierung und die sehr trockene und heiße Zeit seit Sommer 2018, so vermuten wir, könnten zu einem Rückgang an Brutstätten für die Insekten in der Au geführt haben. „Wo sind die Gelsen hin“, fragten sich viele Anrainer im Spätsommer 2018.
Als Spätfolge der trockenen Zeit haben im Frühling 2019 die Blüten auch viel weniger Nektar produziert. Hinzu kam der Kälte- und Regen-Einbruch ab April und durch den Mai hindurch in 2019, die das Ausfliegen vieler sammelnder Insekten durch Unterkühlung tödlich machte – genau zu der Jahreszeit, wo dessen Population explosionsartig wächst. Das kann zu leeren Kolonien und verhungerten, Nektar fressenden Insekten führen. So wie es vielleicht auch dieser, in Lobau-Nähe gefundenen, toten jungen Holzbiene ergangen ist.
Auf Nachfrage, ob es Daten gibt, die meine Vermutung bestätigen, antwortete Mag. Erika Dorn vom Nationalpark Donauauen GmbH:„Die Flusslandschaft der Donau beherbergt eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Teillebensräume: Feuchtbereiche, Waldstandorte, Wiesen, Sedimentbänke, Abbruchkanten, Schwemmholzsstrukturen,.. Sie bietet auch Platz für andere Ernährungstypen: Totholzbewohner, Blattfresser, Boden gebundene Insekten… Daher wird der allgemeine Insektenschwund dort geringer ausfallen als in strukturschwachen Agrarlandschaften. Da jedoch noch nie eine Erfassung der Insektenbiomasse der Flusslandschaft durchgeführt wurde, ist es nicht beurteilbar, ob und wo dieser Schwund stattgefunden hat.“
Kaum Honig
Seit 2015 müssen Imker die Anzahl ihrer Völker melden, sodass es demnächst wieder Daten zu den Bienenvölkern gibt. Der Honigbiene als gepflegtes Haustier, geht es möglicherweise besser als ihren wilden Vettern. Obwohl Kastanie und falsche Akazie im Mai blühten, sind, wo die Imker nicht aufgepasst haben, im Frühling dennoch einige Bienenvölker verhungert. Bei der Kastanie sowie bei den Frühlingsblüten war kaum Nektar vorhanden. Und bei der Haupttracht, der falschen Akazie, hat es geregnet, und es war zu kalt. Wo normalerweise ein Volk im Marchfeld Ende Mai schon um die Hälfte der jährlichen Honig-Ernte gesammelt hat, mussten viele Imker Ihre Völker zusätzlich füttern, um ein Verhungern zu verhindern. Auffällig viele Völker haben sich in Folge des Nahrungsmangels auch entschlossen, ihren Bienenkorb zu verlassen, und suchten als Bienenschwarm ein neues Zuhause, sobald das Wetter besser wurde. Frühlingsblüten und Kastanienhonig gibt es keinen, Akazienhonig wird es viel weniger geben. Da bleibt den Honigbienen als große Tracht nur noch die Linde, und, wo es sie gibt, die Sonnenblumen.
Existenzbedrohend
In den letzten beiden Jahren, die schon unterdurchschnittlich waren, konnte ein Marchfelder Imker mit um die 50 kg Honig pro Volk rechnen (früher 75 kg). in 2019 werden sich viele Imker freuen, wenn sie die 30 kg erreichen. Die Kosten bleiben aber die gleichen. Ein Berufsimker müsste, um das gleiche Einkommen für sich und seine Mitarbeiter zu haben wie im letzten Jahr, den Honig-Preis also mehr als verdoppeln.
Ein gelungenes Naturschutzprojekt macht es für die Imker noch schlimmer
„Als Folge des Insektenschwunds ist auch an der Spitze der Nahrungspyramide der Bestand der Insekten fressenden Vögel aliquot zurückgegangen.“ so Mag. Dorn weiter auf Nachfrage. „Der Bienenfresser jedoch folgt in Ost-Österreich nicht diesem Trend.“ Der Bienenfresser ist der farbenprächtigste Zugvogel in Mitteleuropa. Er steht fast an der Spitze der Nahrungskette. Zu diesem Vogel gibt es sehr schöne Doku’s auf Youtube.
Um diesen Zugvogel vor dem Aussterben zu schützen, wurde in den vergangenen Jahren in mehrere Projekte investiert, um neue geschützte Nistplätze für die Bienenfresser entlang der Donau zu schaffen.
Die Wieder-Ansiedlung war sehr erfolgreich, und die Populationen der Zugvögel wächst seitdem sehr schnell. Sie werden sogar immer öfter in Wien gesichtet.
Die Bienenfresser sind spezialisiert auf Groß-Insekten und sind ware Flugkünstler. Sie fressen um die 50 Insekten pro Tag. Wie am Bild nebenan zu sehen ist, fangen sie bei schönem Wetter hauptsächlich Libellen, Hummeln und große Käfer als Nahrungsgast in der Au.
Wie der Name jedoch sagt, fangen sie auch Bienen. Denn als eine der wenigen Tierarten, sind sie imstande, die Giftstachel der Wespen und Bienen vor dem Fressen zu entfernen.
Gibt es zu viele Bienenfresser?
Wo die Tiere in den letzten Jahren noch vereinzelt beobachtet wurden, sind nun dank des Schutzprojektes viel größere Gruppen entstanden. Da diese Tiere nun auch hungern, sind plündernde Gruppen Bienenfresser im Mai 2019 von Bienenstand zu Bienenstand geflogen, um an Nahrung zu gelangen. Mehrere Imker berichteten davon.
Im Video von einem der Stände in Orth an der Donau von Mr-Bien ist zu sehen, wie eine Gruppe von mehreren Dutzend Tiere am Stand nähe der Biogasanlage Bienen jagen.
Andere Imker melden, dass die Vögel sich wie beim Bankett direkt ans Flugloch setzen und herauskommende Bienen wegfressen.
In einem Bienenvolk schlüpfen im Mai und Juni pro Tag um die 2000 neue Bienen. Wenn an einem Bienenstand 10 Völker stehen, und dort 40 Bienenfresser je 25 Bienen fressen, bedeutet das einen Verlust von 5% der Bienen-Masse, was nur zu einer geringfügigen Reduzierung beim Honig-Ertrag führt und nicht weiter problematisch sein sollte. Obwohl der Imker seine Bienen nicht hält, um sie als Tierfutter wegfressen zu lassen, ist dieser Ertragsverlust in einem normalen Jahr verkraftbar.
Wo sind die Bienenväter hin?
Bei der Vermehrung der Bienen-Völker schlüpft pro neuem Volk (auch Ableger genannt) zwischen April und Juni je eine neue Königin. Diese fliegt einmalig an einem schönen warmen Mittag aus auf Begattungsflug, um sich mit bis zu 20 der größten Drohnen zu paaren. Danach kommt sie zurück und fängt an, Eier zu legen, und so wird durch Nachwuchs die Zukunft des Volkes gesichert.
Drohnenfresser
Problematisch ist nun, dass die Bienenfresser bevorzugt die größeren Bienen fressen. Die größten Bienen sind nun mal die Königin und die Drohnen. Wie im Blog des Stadtmauerhonig zu Vatertag 2018 beschrieben, gibt es die Drohnen nur für ein paar Wochen im Frühling – ungefähr von Mitte April bis zur Sommersonnenwende. Pro Bienenvolk werden in dieser Zeit bis zu 1500 Drohnen ausgebrütet. Bei einem Stand mit 10 Völkern, wie am Stand von Mr.-Bien in Orth an der Donau, gibt es also um die 15.000 Drohnen. Wenn die Bienenfresser nun an einem Tag um die 1000 Bienen wegfressen, erwischen sie dabei sehr viele und zuerst die größten Drohnen. Da das wegen des kalten Wetters der letzten Wochen an mehreren Tagen im Mai in Folge geschah, führte es dazu, dass momentan weniger als die Hälfte der üblichen Anzahl an Drohnen vorhanden ist, und diese deutlich weniger groß sind. Die Befürchtung der Imker ist nun, dass die Königinnen, die vom Begattungsflug zurückkommen, mangels guter Qualität an Drohnen (da die größten zuerst gefressen wurden), unzureichend befruchtet sind. Anstatt 4 bis 5 Jahre lang Eier zu lang, droht, dass sie nicht genug Samen hat, um das Volk über den Winter zu bringen.
So gab es dieses Jahr bereits im Marchfeld mehr Völker als in der Vergangenheit, die die Varroamilbe überlebt haben und durch den Winter gekommen sind, jedoch im März keine Eier legende Königin mehr hatten und so dennoch dem Tode geweiht waren bevor der Frühling angefangen hatte.
Königinnenfresser
Noch problematischer trift es den Bienenzüchter, wenn die Königin im Begattungsflug gefressen wird und gar nicht zurück kommt. Dann wartet das Volk vergeblich, es kommt kein Nachwuchs und es stirbt aus.
Einige Imker im Marchfeld berichten über bis zu 90% Ausfällen von Königinnen im Mai 2019. Im langjährigen Schnitt sind es um die 30%, die ausfallen. Daran sind nicht alleine die Bienenfresser Schuld, ein Großteil ist auch Wetter abhängig. Der Bienenfresser jedoch fliegt laut schreiend und Bienen fressend am Ableger und Königinnen-Häuschen vorbei. Die Imker, die so ihre harte Arbeit vernichtet sehen, und wegen der geringen Honig-Ernte bereits um ihre Existenz bangen müssen, versetzt das zusätzlich einen Stich ins Herz.
Es wurde viel Geld erfolgreich in Tierschutz investiert, jedoch wird vermutlich die Nahrungsgrundlage der Insektenfresser durch die Verlandung der Donauauen und den Klimawandel verringert. Die Bienenfresser greifen dann auf die vorhandene Beute, nämlich die Honigbiene, zurück. Durch das gute Wetter im Juni, während die Küken der Bienenfresser schlüpfen, wird wieder eine starke Populationssteigerung erwartet. Also wird es in 2020 noch mehr Druck der Bienenfresser auf die Imker geben. Da die Berufsimker und Bienenzüchter jedoch für den Ertragsverlust keine finanzielle Kompensation erhalten, werden viele von Import-Königinnen abhängig sein, um weiterzumachen, oder ihre Imkerei aufgeben.
Abwehrmögllichkeiten
Da die Bienenfresser immer weniger menschenscheu sind, lassen sie sich von Vogelscheuchen wenig beeindrucken. Mr-Bien hat dieses Jahr in eine selbst fliegende Attrappe investiert, der die Bienenfresser verscheuchen sollte. Wie im vorherigen Video zu sehen, setzen sich die Bienenfresser zumindest nicht mehr direkt ans Flugloch. Auch hat er, als zusätzliche Maßnahme, dieses Frühjahr beim Stand ein Nest mit Turmfalken-Pärchen eingerichtet. Obwohl diese in der Regel keine Bienenfresser fangen, verschrecken sie diese und helfen nebenbei zusätzlich, die Feldmaus-Population zu verringern.
Fazit
Damit die Imker, die so wertvolle Arbeit leisten, nicht in eine Existenzkrise kommen und aufgeben müssen, wird der Bio-Honig-Preis beim Ögreißler erheblich höher sein als im letzten Jahr. Wir hoffen dann auch, dass ihr trotz Preissteigerung unsere Imker weiterhin unterstutzt und nicht auf den Import-Honig ausweicht.
Hinweis: dieser Text hat als Ziel, Informationen und Beobachtungen unserer Imker in lesbarem Format zu teilen und zu erläutern. Einige dieser Vermutungen sind nicht wissenschaftlich hinterlegbar, da, wie bereits erwähnt, die Datengrundlage fehlt. Er dient als Aufruf dazu, eine Vergleichsdatenbank aufzubauen. Sie könnte aussehen wie die, die der Entomologische Verein Krefeld über Jahrzehnte in Deutschland aufgebaut hat. Ziel ist die Vermessung der Masse und Vielfalt der Insekten in der Au und im Marchfeld vor dem Hintergrund des Klimawandels zu beobachten. Der Text ist auch als Aufruf gedacht, die betroffenen Imker zu unterstützen, damit die ans Marchfeld und die Donauauen angepassten Bienenzüchtungen nicht verloren gehen.
Sollten die Betroffenen Imker Unterstützung erhalten? Sollte das Nationalpark eine Vergleichsdatenbank aufbauen? Möchtest du beim Datensammlen zu den Insekten helfen?
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Liebe Grüße, Peter
Während meiner 15jährigen Tätigkeit in der globalen Agrarbranche konnte ich beobachten, dass sehr viele Ortskerne und Biodiversitätszonen aussterben. Seit 2016 bin ich mit meiner Familie im Marchfeld Zuhause. 2017 habe ich meine Unternehmensberatung Gr.-Enz&Los GmbH in Groß-Enzersdorf gegründet. Schwerpunkt ist die Beratung und Betreuung von Start-ups und KMU’s. Meine Kunden profitieren dabei von meiner internationalen Führungserfahrung. Und außerdem bin ich noch dein Ögreissler.
Traurig zu lesen, dass Bienenvölker verhungern. Ich habe auch das Gefühl, dass es immer weniger Insekten gibt. Wir wollen ein Insektenschutz anbringen lassen, da Mücken im Haus nervig sind. Uns ist aber aufgefallen, dass es wenige gibt. Vor einigen Jahren sah das noch anders aus.
Lieber Ögi,
sehr gut geschrieben, ich hoffe, es kommt auch die Dramatik an,
denn die lieben bunten Vögel werden bald mit ihren jungen Nachkommen
auf Futtersuche sein.
Übrigens: heuer IST EIN GELSENJAHR !!!
Komm mal in den nächsten Tagen abends zu uns und spende Blut.
Lg,
Mr. BIEN.